Inhaltsverzeichnis
Eine Frage der Alternativen – Lingen sucht den geeigneten Bestattungswald
Lange und hitzig wurde in Lingen die Idee eines Ruhewaldes diskutiert. Mittlerweile liegen die Argumente der Befürworter und Gegner offen auf dem Tisch, die Debatte steuert ihrer Entscheidung entgegen. Mehr noch, so könnte alsbald auch die Frage geklärt werden, ob der Bestattungswald tatsächlich im Biener Busch seine Heimat findet – oder ob der Schepsdorfer Wald dafür nicht besser geeignet wäre.
Lingen braucht einen Bestattungswald
Der Ruf aus der Lingener Gesellschaft wird immer lauter: Bestattungen sollen künftig nicht alleine auf den Friedhöfen der Stadt möglich sein. Vielmehr zieht es die Menschen vermehrt in die Natur: Grabstätten in einem sogenannten Ruhewald liegen im Trend. Rund 80 dieser Areale lassen sich gegenwärtig bereits in Deutschland finden. Sie zeichnen sich vor allem durch ein striktes Einhalten der Totenruhe aus. Zudem soll die Natur möglichst wenig beeinflusst werden. Besonders beliebt sind dabei solche Gräber, die direkt am Fuße eines mächtigen Baumstammes liegen. Das Ablegen von Blumen und Gebinden ist hier indes nicht erwünscht. Ebenso können keinerlei Grab- und Erinnerungssteine aufgestellt werden. Je nach Region und den dort gültigen Gesetzen dürfte es allerdings erlaubt sein, am Begräbnisbaum eine kleine Plakette anzubringen. Ein weiteres wichtiges Merkmal: Die zum Friedwald führenden Wege müssen so beschaffen sein, dass die Besucher die angrenzende Natur nicht beeinträchtigen oder sogar beschädigen.
Es verwundert also nicht, dass die Diskussion über einen Bestattungswald mittlerweile die Stadt Lingen erreicht hat. Zumal sich hier mit dem Biener Busch und dem nahen Schepsdorfer Wald ja gleich zwei Gebiete finden lassen, die für ein solches Vorhaben ideal erscheinen. Allerdings hat sich an dieser bescheidenen Vielfalt in den letzten Monaten auch ein kleiner Streit entzündet. So geht es einerseits um die Frage, ob Lingen tatsächlich einen Ruhewald benötigt. Die Antwort darauf kann relativ schnell gegeben werden: Die Akzeptanz dieser Idee liegt grundsätzlich vor. Die Menschen in Lingen setzen sich dafür ein, künftig ihre Verstorbenen auch in abgegrenzten Waldstücken beerdigen zu dürfen. Andererseits – und dieser Zwist ließ sich bislang nicht ganz so einfach klären – stellt sich die Frage, welches Areal denn nun am besten geeignet erscheint. Bislang galt der Biener Busch als Favorit. Doch hier melden sich Zweifel aus den Reihen der Politik, ob die Bürger dort tatsächlich ihre letzte Ruhestätte finden sollten.
Das spricht für und gegen den Biener Busch
Als vor wenigen Jahren erstmals die Idee eines Bestattungswaldes für Lingen öffentlich diskutiert wurde, da fiel die Wahl für die Umsetzung dieses Vorhabens ebenso schnell wie eindeutig auf den Biener Busch. Rund 20 Hektar des natürlichen Gebietes sollten abgegrenzt werden, um dort Begräbnisstellen zu ermöglichen. Ein Konzept, dem sich sogar das Landesforstamt in Niedersachsen nicht verschließen wollte – denn echte Gründe gegen eine solche Planung schienen nicht vorzuliegen. Auch die Infrastruktur ließ keine unüberwindbaren Hürden erkennen. Der Biener Busch ist bereits jetzt mühelos mit dem Bus zu erreichen. Darüber hinaus wäre ein Ausbau der Verbindungen mit den öffentlichen Verkehrsmitteln jederzeit möglich. Zumal genügend Parkplätze nahe des Waldes schon vorhanden sind und diese für die Trauergäste künftig zentraler gestaltet werden könnten. Überlegungen also, die sich recht schnell umsetzen lassen würden. Alles klar also für den Bestattungswald am Biener Busch? Eine Frage, die verneint werden muss.
Insbesondere aus dem Naturschutz bilden sich hartnäckige Gegenstimmen. Und das gewiss nicht zu Unrecht. Denn der Biener Busch ist ein Naturschutzgebiet, das zum Flora-Fauna-Habitat Ems gehört. Hier lassen sich folglich seltene Arten an Tieren und Pflanzen finden – einige von ihnen sind vom Aussterben bedroht und bedürfen daher einer besonderen Ruhe und Pflege. Ihr Fortbestand könnte indes nicht gewährleistet werden, wenn künftig noch mehr Menschen als heute den Wald besuchen. Bereits der Umbau der bisherigen Pfade zu befestigten Wegen, das Abräumen von Totholz oder das Aufstellen von Abfallbehältern würde einen Eingriff in die Natur darstellen. Dort also, wo verstorbene Menschen künftig ihre Ruhestätte finden, würde der Lebensraum von Insekten und Vögeln ebenso wie von Gräsern und Moosen reduziert – wenn nicht sogar gänzlich zerstört. Der Naturschutzbund (NABU Emsland Süd) steht der Idee eines Ruhewaldes übrigens nicht grundsätzlich entgegen. Allerdings weigert er sich, seine Zustimmung zur Umsetzung des Vorhabens im Biener Busch zu erteilen.
Der Schepsdorfer Wald als Alternative
Lange musste jedoch nicht gesucht werden, um im Gebiet rund um Lingen herum ein weiteres Areal zu finden, das für einen Bestattungswald in Betracht kommen könnte. Immerhin lässt sich hier der Schepsdorfer Wald nahe Schloss Herzford finden, der mit seinen verzweigten Wegen zum Wandern einlädt und in dem Schulklassen jedes Jahr nur allzu gerne einen lehrreichen Besuch der Natur unternehmen. Der größte Vorteil liegt mithin darin, dass das Waldstück nicht dem strengen Schutzgedanken unterliegt. Zwar werden die Gäste auch hier um Ruhe und Entsorgung ihrer Abfälle gebeten – die strikten Auflagen, die im Biener Busch gelten, müssen im Schepsdorfer Wald dagegen nicht beachtet werden. Und das liegt vor allem daran, dass es hier bislang keine seltenen und besonders schützenswerten Gattungen unter Pflanzen und Tieren gibt. Rund 26 Hektar des gesamten Waldes könnten somit für künftige Bestattungen geöffnet werden – auch das Befestigen der Wege stellt kein Problem dar.
Zugleich ist der Schepsdorfer Wald trotz seiner natürlichen Prägung bestens an die Gemeinde angeschlossen. Das Pfarramt, ein Wirtshaus, ein Hotel oder die Schule haben sich in Reichweite des Forstes angesiedelt – für eine optimale Anbindung an das Netz der öffentlichen Verkehrsmittel ist also seit Jahren bereits gesorgt. Auch Parkplätze in ausreichender Zahl sollten sich hier finden lassen. Falls doch einmal ein Mangel entsteht, könnte eine solche Infrastruktur aber mühelos errichtet werden. Übrigens steht trotz Schulen und Straßen nicht zu befürchten, dass die Totenruhe gestört werden könnte. Das für die Bestattungen vorgesehene Areal im Schepsdorfer Wald wurde so ausgewählt, dass es möglichst weit vom Lärm und dem Trubel Lingens entfernt ist – und dennoch auf den zu befestigenden Wegen zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Auto ohne Schwierigkeiten erreicht werden kann. Das in Nähe gelegene Pfarrzentrum ließe sich zudem für die Trauerzeremonie nutzen und könnte das passende Ambiente für den würdevollen Abschied von einem geliebten Menschen bieten.
Eine Entscheidung dürfte schon bald fallen
Trotz des Zwistes in der Gesellschaft und der Politik rund um die zu klärenden Fragen eines Bestattungswaldes fällt eines auf: Längst scheint nicht mehr alleine die Überlegung im Vordergrund zu stehen, ob es die Möglichkeit eines Ruhewaldes in Lingen grundsätzlich geben soll – die Frage dürfte viel eher sein, wo sich diese Idee am besten umsetzen lässt. Der lange als Favorit geführte Biener Busch rückt zusehends aus dem Fokus. Und das ist auch gut so, immerhin sollen die hier vorhandenen seltenen Tier- und Pflanzenarten künftig in aller Ruhe ungestört gedeihen können. Ein Eingriff in den Wald zugunsten des Menschen hieße, die Natur zu beschädigen. Und das kann einerseits niemand wollen – darf andererseits aber nicht akzeptiert werden, um die Vision eines Bestattungswaldes zu verwirklichen. So kritisch der Einwand des Naturschutzbundes NABU bislang in der Lingener Politik auch gesehen wurde, so richtig und wichtig ist er.
Und so hitzig und zäh sich die bisherigen Verhandlungen in der regionalen Politik auch gestaltet haben mögen: Mittlerweile wurden Rahmenbedingungen geschaffen und Pläne präsentiert, die eine durchaus schnelle Entscheidung begünstigen würden. Denn klar dürfte sein, dass die Lingener Parteien schon bald ihre Zustimmung zur Errichtung eines Waldfriedhofes erteilen werden. Ist diese Hürde übersprungen, sollte der Schepsdorfer Wald – oder wenigstens die in Rede stehenden 26 Hektar – binnen weniger Monate derart umgebaut werden können, dass ein abgegrenztes Areal als Ruhewald genutzt werden kann. Auch der Andrang größerer Menschengruppen würde hier keinen Eingriff in die Natur darstellen. Die Lingener Gesellschaft erhält damit die Möglichkeit, ihre geliebten und leider verstorbenen Angehörigen in der Natur und somit zu Füßen eines mächtigen Baumstammes zu beerdigen. Das Ökosystem des Biener Busches bliebe dagegen unberührt und somit intakt – ein wichtiges Zeichen für die Natur und ihren Schutz. Eine Idee also, die keine Nachteile mehr zu kennen scheint.
NOZ Presseartikel zum Thema:
10.06.2020 CDU für Friedwald in Lingen – Friedhofskommission skeptisch >>>
24.06.2020 Friedwald im Biener Busch? Nabu kritisiert CDU-Idee scharf >>>
14.07.2020 So sehen die Pläne für Waldbestattungen in Schepsdorf aus >>>
29.07.2020 Müllberge durch Grabschmuck? Waldbestattungen Thema in Lingen >>>
14.10.2022 Tausende wünschen sich letzte Ruhestätte im Friedhofswald Meppen >>>
Aussagen die getätigt wurden:
>>Totenaschen enthalten Schwermetalle wie Blei, Cadmium, Kupfer, Zink, Nickel und Chrom. Kritiker sagen, die Totenasche sei ökologisch bedenklich.<<
Das Umweltbundesamt schreibt:
Der Betrieb von Bestattungswäldern ist nach dem derzeitigen Kenntnisstand auf Standorten mit einem Boden pH-Wert von 4-6,5 in der für die Beisetzung der Urnen vorgesehenen Tiefe als unproblematisch zu erachten.
NABU
„Der Naturschutzbund (NABU Emsland Süd) setzt sich für eine „natürliche Entwicklung“ ein – „deswegen sind wir strikt gegen einen Friedwald an dieser Stelle (Biener Busch)“.
Im Archiv von – NABU Deutschland e.V. eine andere Meinung
Über den Boom der Begräbniswälder
>>Naturschutz und alternative Begräbniskultur gehen hier eine fruchtbare Verbindung ein.<<
Was ist eine Waldbestattung?
Vorbild: Friedhofswald Meppen Roheide
Mehr Infos auf meiner Seite:
Text Opa Lingen