Covid-19

Das Warten auf die Covid-19 Impfung

Die Schifffahrt, die ins Wasser fiel

Rentner haben ja eigentlich niemals Zeit! Und das wurde uns beiden schon kurz nach dem Eintritt in den Ruhestand bewusst. Denn während die rüstige Oma mit ihren 67 Jahren noch den Haushalt schmeißt, begnadet kochen kann und die gute Seele des Hauses ist, da sammle ich – 69 Jahre, körperlich und geistig fit – ein wenig Geld zusammen. Online-Jobs machen ja vieles möglich. Mit wenig Aufwand kann ich die Haushaltskasse durchaus klingeln lassen. Das große Ziel? Na, eine gemeinsame Reise mit der Oma. Am liebsten wollten wir mit dem Schiff die Donau entlangfahren. Startpunkt Passau, dann über Wien bis nach Budapest. Und weils vermutlich so schön ist, das Ganze dann natürlich auch noch zurück. So dachten wir jedenfalls. Denn geplant war dieser Ausflug für Ostern 2020.

Oma trägt Maske
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Doch wer konnte schon ahnen, dass uns ein Virus einen Strich durch die Rechnung machen würde? So klein und unsichtbar die Biester auch sein mögen, so gefährlich sind sie. Und sie kommen ja nicht alleine. Oma hat sich das immer wie einen Schwarm Mücken vorgestellt, durch den man nicht hindurchlaufen kann, ohne gestochen zu werden. Na jedenfalls haben wir alle Reisepläne schon im März des letzten Jahres zu den Akten gelegt. Vorläufig erst einmal – denn aufgeschoben ist ja schließlich nicht aufgehoben.

Leider wurde es damit einsam um uns herum. Besuche von der Familie kamen nur noch selten. Auch wir vermieden es, uns allzu oft außerhalb des Hauses aufzuhalten. Immerhin ist die Gefahr einer Ansteckung sehr hoch. Und wer kann schon wissen, welche Personen die Viren in sich tragen? Gerne haben wir darüber nachgedacht, wie schön es doch wäre, bei feinstem Frühlingswetter über die Donau zu gondeln, hier und da einen Halt einzulegen, einmal durch Wien zu spazieren und dann das uns noch unbekannte Budapest zu besuchen. Die Realität sah nun aber so aus, dass wir beide zuhause hockten, uns ein wenig auf die Nerven gingen und die Sehnsucht nach einem normalen Leben gehörig anwuchs.

Die Donau in Bayern
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Nichts ist mehr, wie es einmal war

Doch wie soll die Normalität aussehen? Oma hat gleich gesagt, dass sie während der gesamten Reise keinen Mundschutz tragen wird. Sie findet, dass ihr das nicht steht – außerdem würde die Sonnenbräune dann nicht das gesamte Gesicht erreichen, wenn wir auf dem Deck des Donau-Dampfers sitzen und den Ausblick genießen. Gemeinsam kamen wir aber zu dem Schluss, dass wir eine solche Reise auch nicht antreten wollen. Jedenfalls solange nicht, wie die Viren nicht restlos bekämpft sind. Denn Sicherheit geht vor. Die Fahrt können wir auch in späteren Jahren noch einmal nachholen – wenn uns Corona aber erst einmal erwischt hat, wer kann schon sagen, wie es dann mit uns weitergeht?

Trotzdem setzte über den Sommer bei uns eine neue Hoffnung ein. Das Warten nervte uns und so schauten wir jeden Tag gespannt in die Zeitung, welche neuen Entwicklungen sich wohl über Nacht eingestellt hatten. Während ich sorgsam die entsprechenden Artikel studierte, löste die Oma ihre Kreuzworträtsel. Am Ende waren wir beide schlauer. Die Oma, da sie ihren Wortschatz um einige seltene Begriffe erweitern konnte. Und ich, da nun doch ein Impfstoff in Aussicht stand, der die Viren bekämpfen sollte. Na das klingt doch toll. Statt der Reise auf der Donau planten wir in Gedanken bereits die Fahrt zu unserem Hausarzt. Ein kleiner Stich, Pflaster drauf. Und natürlich hoffen, dass die Oma nicht wieder umkippt. Leider sollte es anders kommen.

Denn zunächst einmal ist nicht genügend Impfstoff vorhanden. Und was da ist, wird sorgsam verteilt. Natürlich zuerst an jene Leute, für die besondere Gefahren einer Erkrankung bestehen. Zum Glück sind wir das nicht. Denn wir gehen gerne spazieren, kochen ebenso lecker wie gesund und sind durch unseren Schäferhund Arno doch insgesamt gut beschäftigt. Hätten wir ein Glas Sekt zur Hand gehabt, dann hätten wir darauf angestoßen, nicht zur Risikogruppe zu gehören.

Mit ein wenig Nachdenken stellten wir uns aber die Frage, wann es bei uns denn nun endlich losgehen würde? Wann können wir den kleinen Pieks erwarten, der sämtliche Viren von uns fernhält? So recht wusste das niemand. Beim Hausarzt und der Krankenkasse haben wir nachgefragt. Abwarten müssten wir, hieß es da. Auch die Suche im Internet hat wenig Erhellendes ergeben. Zwar gibt es Telefonnummern, wo wir anrufen können. Aber dort weiß niemand, wann wir wo und womit geimpft werden. Ein wenig ist die Oma nun doch von der Sorge befallen worden, dass sich das alles noch ein Weilchen hinziehen wird. Ich aber habe ihr gut zugeredet und gesagt, dass wir Wien und Budapest auf jeden Fall sehen werden. Wenn nicht dieses Jahr, dann eben im Jahr darauf. Oder noch ein Jahr später. Solche Städte laufen uns ja nicht weg und wir können sie immer wieder einmal besuchen.

Freude bei Oma-Lingen
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Neues Jahr, neues Glück?

Ein großer Moment der Sehnsucht überkam uns beide allerdings, als wir kurz vor Weihnachten mit dem Arno zum Tierarzt mussten. Er wurde gegen Würmer geimpft und ein wenig neidisch waren wir auf seine Spritze durchaus. Aber natürlich ist uns auch klar, dass das nicht gegen Corona hilft. Doch die Vorstellung, dass ein kleiner Stich mit der Nadel alle Ansteckungsgefahren beseitigen kann, hat uns wehmütig werden lassen. Denn selbst zum Jahreswechsel konnte uns noch immer nicht gesagt werden, wann wir geimpft werden. Und dabei ist doch bald schon wieder Ostern in Sicht und es ist nun fast ein Jahr her, dass unsere Reise ins Wasser gefallen ist.

Zu allem Überfluss gelten weiterhin die Kontaktbeschränkungen. Wenn ich im Supermarkt mal Freunde treffen, gehe ich ohne ein Wort zu sagen an ihnen vorbei. Kein Gruß, keine Unterhaltung. Denn solange ich nicht geimpft bin, will ich kein Risiko eingehen. Toll ist aber, dass die Regale in den Läden wieder voll sind. Ein wenig hat es uns vor einem Jahr leider doch auf den Magen geschlagen, als wir uns nur von Nudeln und Tütensuppe ernährt haben. Sehr viel mehr als das gab es schließlich nicht. Und für das so dringend benötigte Toilettenpapier mussten wir sogar in einer langen Schlange anstehen. Oma hat schon gesagt, was für ein Glück wir doch haben, dass dieses Jahr alles besser läuft.

Und damit liegt sie richtig. Bei allem Wehklagen dürfen wir nicht vergessen, dass wir als Gesellschaft vor einer neuen Situation stehen. Vieles ist im vergangenen Jahr erreicht worden. Der Impfstoff wurde so schnell entwickelt, dass wir es zunächst kaum glauben konnten. Das alles muss man loben und sich dafür bedanken. Umso mehr, weil wir bislang glimpflich durch die Krise gekommen sind. Sicherlich nervt das Warten auf die Impfung. Und wir beide mögen es nicht, ständig daheim zu sein. Gerne würden wir Freunde treffen – aber nur dann, wenn keine Gefahren mehr bestehen. Und wenn das alles vorbei ist, muss natürlich auch die Familie in großer Runde zusammenkommen. Darauf freuen wir uns schon und alleine diese Aussicht ist das Warten wert.

Dennoch fragen Oma und Opa-Lingen sich, wie es bis dahin weitergehen soll. Eine Lösung wissen wir beiden leider nicht. Denn Corona ist wohl die größte Krise, die wir jemals erlebt haben. Und so neidisch wir auch auf jene Menschen schauen, die bereits geimpft wurden, so sehr müssen wir uns nun wohl in Disziplin üben. Die Oma verrichtet weiter die Hausarbeit und ich schaue mit meinem Internet-Job, ob ich nicht noch ein wenig mehr Geld ansparen kann. Insgeheim schmökern wir aber schon in den Reisekatalogen. Denn die Tour von Passau nach Budapest soll eigentlich nur den Auftakt für die kommenden Jahre darstellen. Wie sehr wir ferne Länder und fremde Menschen vermissen, bemerken wir schließlich erst jetzt, wo wir seit einem Jahr zuhause sitzen. Noch ein wenig auf die Spritze warten – und dann kann das normale Leben hoffentlich bald wieder beginnen.

Text „Das Warten auf die Covid-19 Impfung“ kommt von Opa Lingen

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