Führerschein abgeben

Busfahrkarte anstatt Führerschein

Mit dem Alter gehen unweigerlich Einschränkungen einher. Deshalb wird in der Öffentlichkeit regelmäßig diskutiert, ob Senioren ab einem bestimmten Alter immer wieder unter Beweis stellen sollen, dass sie noch in der Lage sind, sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Viele Städte und Gemeinden bieten älteren Menschen Vergünstigungen im öffentlichen Nahverkehr, wenn sie freiwillig den Führerschein abgeben. Die Stadt Lingen (Ems) hat ihr entsprechendes Angebot endlich angepasst – ein längst überfälliger Schritt.

Lingen - Busfahrkarte anstatt Führerschein Hilfe für Senioren

Busfahrkarte anstatt Führerschein

Es gibt viele Gründe, die dafür sprechen, dass ältere Menschen nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen sollten. Auf der einen Seite liegen altersbedingt häufig körperliche Einschränkungen vor: Die Seh- und Hörkräfte nehmen mit der Zeit ab. Bestimmte Bewegungen (zum Beispiel der Schulterblick) sind nur noch bedingt oder gar nicht mehr möglich. Aufmerksamkeit und Konzentration können nicht mehr wie früher abgerufen werden.

Auf der anderen Seite erschweren manche Krankheiten wie Grüner oder Grauer Star, Diabetes oder Parkinson das sichere Führen eines Fahrzeugs. Zuletzt können sich Medikamente wie Psychopharmaka, Schlaf-, Beruhigungs- oder Schmerzmittel negativ auf das Fahrverhalten auswirken.

Nichtsdestotrotz – aus diesen Tatsachen kann nicht pauschal abgeleitet werden, dass Senioren schlechte Autofahrer sind! Viele von uns sind bis ins hohe Alter fit und vital und befolgen die Straßenverkehrsordnung oft besser als so mancher Fahranfänger. Es ist aber sicher nicht verkehrt, sich ab einem bestimmten Alter kritisch mit dem eigenen Fahrvermögen auseinander zu setzen. Schließlich steht die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer und von uns selbst an erster Stelle.

Wann ist das Fahrvermögen nicht mehr ausreichend?

Wie es um die eigenen Fahrkünste bestellt ist, kann man selbst oft gar nicht so einfach beurteilen. Gerade, wer täglich oder zumindest häufig am Steuer sitzt, tut sich mit einer objektiven Einschätzung schwer, schließlich treten Einschränkungen des Fahrvermögens in der Regel nicht von heute auf morgen auf. Stattdessen handelt es sich meistens um einen schleichenden Prozess, bis schließlich der Punkt erreicht ist, an dem es besser ist, das Auto stehen zu lassen.

Eine gute Einschätzung können oft diejenigen geben, die häufiger bei uns mitfahren. Sie müssen sich nicht auf den Verkehr konzentrieren und nehmen daher die Reaktionen des Fahrers stärker wahr. Wer sich also nicht sicher ist, wie gut das eigene Fahrverhalten noch ist, kann im Gespräch mit Mitfahrern Aufschluss darüber erhalten. Der Befragte sollte allerdings um Ehrlichkeit gebeten werden. Das Fahrvermögen ist ein sensibles Thema, und jemandem ins Gesicht zu sagen, dass er besser nicht mehr ans Steuer sollte, ist nicht leicht. Wer andere also um eine Einschätzung bittet, muss auch mit negativen Aussagen klarkommen können.

Hinweise darauf, dass das Fahrvermögen eingeschränkt ist, geben auch die folgenden Situationen:

  • Gefühl der Unsicherheit, auch auf bekannten Strecken
  • Erhöhte Geschwindigkeit und häufiges abruptes Bremsen
  • Auffallend langsame Geschwindigkeit
  • Zunehmend weniger vorausschauendes Fahren
  • Eingeschränkte Wahrnehmung von Verkehrsschildern oder Ampeln
  • Schwierigkeiten mit dem Schulterblick
  • Schwierigkeiten, das Auto in der Spur zu halten
  • Verspätetes Erkennen von Gefahrensituationen
  • Panikgefühle in schwierigen Situationen
  • Beschädigungen am eigenen Auto (durch Rempler, Parkunfälle etc.)


Auch hier gilt natürlich: Jede Situation für sich bedeutet nicht sofort, dass der Führerschein unverzüglich abgegeben werden sollte. Häufen sich jedoch einzelne oder mehrere Begebenheiten, sollte man zumindest darüber nachdenken.

Warum fällt das Abgeben des Führerscheins so schwer?

Wenn man mit 18 seinen Führerschein zum ersten Mal in den Händen hält, ist das ein überwältigendes Gefühl. Vorbei sind die Tage, an denen man auf die Fahrzeiten und -strecken der Linienbusse angewiesen ist! Vorbei die Abhängigkeit vom guten Willen der Eltern, einen zum gewünschten Ort zu bringen oder von dort abzuholen! In den darauffolgenden Jahren verfliegt das Hochgefühl, Autofahren wird zur Selbstverständlichkeit und gehört zum Alltag einfach dazu.

Erst im Alter wird uns wieder schmerzlich bewusst, welche Freiheiten uns ein Auto eigentlich bietet. Mit diesen und weiteren Fragen wird ein Senior unweigerlich konfrontiert, wenn er darüber nachdenkt, seinen Führerschein abzugeben:

  • Wie komme ich zu meinen Ärzten?
  • Wie gehe ich dann einkaufen?
  • Werde ich meine Familie, meine Enkel und Urenkel noch genauso häufig sehen wie jetzt? Kommen sie mich besuchen, anstatt dass ich zu ihnen fahre?
  • Kann ich ohne Einschränkungen weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen?


Das Auto ist ein komfortables Fortbewegungsmittel. Es kann direkt vor der Wohnung oder am Haus abgestellt werden, legt sowohl kurze als auch lange Entfernungen zurück und kann auch unmittelbar am Ziel oder zumindest in direkter Umgebung abgestellt werden. Für Senioren ist dies jedoch häufig kein Komfort, sondern eine Notwendigkeit. Wenn Hüften, Knie oder andere Erkrankungen die Mobilität einschränken, ist der Weg zur nächsten Bushaltestelle oft unüberwindbar weit. Mit dem Auto hingegen bleibt ihnen ihre Mobilität und Flexibilität erhalten – Privilegien, auf die niemand gerne freiwillig verzichtet.

Ein letzter Punkt ist sicher auch die Angst vor dem Eingeständnis: Ja, ich bin alt – so alt, dass ich ein Auto nicht mehr sicher führen kann. Diese Erkenntnis tut weh, und es benötigt ungeheuer viel Mut und Selbstbewusstsein, sie sich einzugestehen. Falscher Stolz beim Autofahren ist sicher nicht angebracht, aber verständlich ist es schon, wenn einige Senioren der unangenehmen Wahrheit nicht ins Auge sehen möchten.

Letztlich sollte die eigene Sicherheit, aber auch die von unschuldigen anderen Verkehrsteilnehmern den Ausschlag geben, ob aufs Autofahren verzichtet wird.

Anreize für Senioren – Lingen bessert nach

Um Senioren den Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel schmackhafter zu machen, gibt es in Lingen bereits seit über zehn Jahren eine kostenlose Jahreskarte für den öffentlichen Nahverkehr, wenn ältere Menschen freiwillig ihren Führerschein abgeben. In einem früheren Beitrag >>> habe ich mich bereits ausführlich mit der Regelung auseinander gesetzt.

Die Hauptkritikpunkte: Die Jahreskarte wurde nur einmal ausgestellt, danach mussten Senioren die regulären Tarife zahlen. Eine solche Vergünstigung wirkt beinahe etwas höhnisch, schließlich gibt man mit seinem Führerschein die lebenslange Berechtigung für Mobilität und Flexibilität ab. Die Jahreskarte ist zwar eine großzügige Geste, allerdings stellt man sich schon die Frage, ob den Verantwortlichen nicht bewusst war, dass ein Senior auch über dieses Jahr hinaus mobil bleiben muss.

Der andere Punkt, der im Zusammenhang mit der Regelung für Unmut sorgte, war die Voraussetzung, dass für eine kostenlose Jahreskarte im öffentlichen Nahverkehr die antragstellende Person mindestens 80 Jahre alt sein musste. Dies entspricht einfach nicht der Realität, dass Einschränkungen im Alter zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten. Während der eine noch mit 80 über das Angebot lacht, weil er topfit ist, stellt ein anderer vielleicht schon mit 65 fest, dass er lieber nicht mehr Autofahren sollte.

Nach über zehn Jahren und auf mehrmaligen Hinweis der Seniorenvertretung hin hat Lingen nun endlich die Regelungen angepasst, wie es in vielen anderen Städten und Gemeinden längst üblich war: Bereits ab 60 Jahren erhält man nun fürs Abgeben des Führerscheins eine Jahreskarte. Zusätzlich gibt es in jedem Folgejahr 20 % Rabatt auf weitere Jahreskarten. Bei den aktuellen Preisen ist das eine Vergünstigung von rund 55 (VGE) bzw. 40 (LiLi-Bus) Euro pro Jahr. Auch wenn ein Auto – gerade bei den aktuellen Spritpreisen – sicher auch nicht mit dem regulären Preis einer Seniorennetzkarte mithalten kann, so ist es doch eine symbolische Geste, dass der Senior nicht nur ein Jahr auf seinen Führerschein verzichtet, sondern sein restliches Leben lang.

Fazit

Die neue Regelung der Stadt Lingen stellt eine deutliche Verbesserung zur bisherigen dar. Möglicherweise wird sich das auch an steigenden Zahlen derjenigen zeigen, die das Angebot in Anspruch nehmen. Bisher nutzten nämlich nur durchschnittlich zehn Senioren pro Jahr das Angebot.

Text „Lingen-Busfahrkarte anstatt Führerschein“ kommt von Opa Lingen

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