Nikolaus – hat er heute noch einen Sinn?
Der meteorologische Winter hat bereits begonnen, an den Adventskalender sind die ersten Türchen geöffnet und die Zeit des Schenkens und der Weihnachtsfeiern ist angebrochen.
Am 6. Dezember kommt seit eh und jeh der Nikolaus zu den Kindern. Ich kann mich gut erinnern, als ich noch so klein war, dass ich glaubte, der Nikolaus käme des Nachts mit seinem weißen Pferd und seiner Rute in jedes Haus, um den Kindern ihren „Lohn“ für ihr Verhalten im Laufe des vergangenen Jahres zu bringen. Und – obwohl ich nicht sagen könnte, dass ich Grund gehabt hätte, mich vor seiner Rute zu ängstigen, stand doch alljährlich die bange Frage im Raum: „Wird er mir die Rute bringen?“
Nein, er brachte sie mir kein einziges Mal. Sein Pferdchen bekam von mir Zuckerstückchen und Mohrrüben präsentiert und das schien zu genügen, um Pferd und Reiter gütig zu stimmen. Jedenfalls war mein Stiefelchen stets reichlich gefüllt. Für damalige Verhältnisse jedenfalls. Heute könnte man wohl kaum noch ein Kind mit einigen Nüssen, Lebkuchen, Schokokügelchen und einem kleinen Weihnachtsmann sonderlich beeindrucken.
Noch heute ist es in Familien üblich, die Kinder mit einem Hinweis, darauf, dass Nikolaus und Weihnachtsmann ausschließlich den braven Kindern Geschenke bringen. Das war und ist ein beliebtes Druckmittel, um die überdrehten Kleinen, wieder auf den Teppich zu holen. Funktioniert natürlich nur bei Vorschulkindern, denn die meisten Kinder haben mit Beginn der Schulzeit den Schwindel durchschaut. Ausgerechnet in dem Lebensabschnitt, in dem so viele Kinderfantasien und -träume wie Seifenblasen zerplatzen, entpuppt sich auch das Märchen der geliebten und gefürchteten Weihnachtsmänner als Flop. Wieder ein Geheimnis weniger, das sie zum Staunen brachte. Man kann natürlich darüber geteilter Meinung sein, ob man seinem Kind das Märchen vom Weihnachtsmann auftischt oder nicht – nur, wenn man es nicht tut, weiß man dann eine Antwort auf die Frage, was es eigentlich damit auf sich hat, dass in dieser Jahreszeit ständig Geschenke ihre Besitzer tauschen?
Dass der rotbemäntelte Weihnachtsmann eine Erfindung von Coca-Cola ist, hat sich wohl mittlerweile herumgesprochen. Denn die Originale aus den letzten Jahrtausenden trugen blaue Mäntel. Im Grunde hat sich der Weihnachtsmann erst sehr spät aus der Geschichte des Nikolaus entwickelt. Genauer gesagt des Nikolaus von Myro, einem russischen Bischof, der nicht etwa am 6. Dezember Geburtstag hatte, sondern an diesem Tag starb.
„Die“ Geschichte des Nikolaus ist tatsächlich nicht wirklich nachweisbar. Er soll sich im 3. Jh. vor allem für die notleidende Bevölkerung eingesetzt haben. Viele unbelegte Legenden, in denen sich Wunder ereignet haben sollen, kursieren seitdem um den Nikolaus. Eine der bekanntesten Überlieferungen ist wohl die, in der er die Belegschaft eines Schiffes bittet, einen Teil des Kornvorrats vom Schiff, an die hungernden Bürger der Stadt Byzanz zu verteilen. Nach einigem Zögern willigt sie ein. Dann geschieht das Wunder: Obwohl die Hälfte der Ladung von Bord ging und an die Bevölkerung verteilt wurde, fehlte an Bord des Schiffes kein einziges Korn. Bekannt ist die Geschichte unter dem Begriff: „Das Wunder von Byzanz.“
Schon immer wurden Legenden und Märchen gestrickt, nicht nur für Kinder. Alles Geheimnisvolle hat eine magische Anziehungskraft auf die Menschen. Und letztlich sollen diese Geschichten einfach dazu dienen, dass man innehält, einmal über seinen eigenen Tellerrand hinwegsieht und von seinem Reichtum ein wenig abgibt, an die, die wenig haben. So wie es der Nikolaus, Schutzpatron der Kinder, getan hat. Dass der Reiche dem Armen Freude schenkt und Not lindert, darauf waren im Winter in früheren Jahrhunderten, viele Menschen angewiesen. Auch heute ist diese Geste des Gebens, für einen Großteil der Weltbevölkerung bitter nötig. Und wir sollten über den reich gefüllten Weihnachtstellerrand hinausschauen, ob es da nicht noch Menschen gibt, die nicht auf Schokoweihnachtsmänner warten, sondern auf Unterstützung, um aus Not, Hunger, Unterdrückung und Armut herauskommen zu können.
Eine Milliarde hungernde Menschen auf der Erde. Ich finde, da ist es Zeit, dass der Nikolaus endlich die Ruten an die richtigen Leute verteilt. An die Gierigen, die Maßlosen und die Verantwortungslosen, die aus reiner Macht- und Besitzgier, ihre eigene Bevölkerung unterdrückt und ausbeutet und in größtes Leid stürzt.
Text „Nikolaus – hat er heute noch einen Sinnt“ kommt von Opa Lingen
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