Oma und Opa

Wohin mit den Omas und Opas zum Weihnachtsfest?

Oma und Opa Lingen

Jeden Tag nehme ich mir vor, unser lokales Tagesblättchen endlich abzubestellen, weil es ohnehin nur aus den Sportseiten und diversen Artikel, die ich schon 30 Stunden vorher im Internet gelesen habe, besteht. Aber dann lasse ich es doch, weil es ja auch gilt, die Todesanzeigen zu verfolgen. Das ist wie eine Sucht, fängt man damit an, kann man nicht mehr aufhören – ähnlich, als wenn man jahrelang die gleichen Lottozahlen tippt und plötzlich andere nehmen soll.  Nicht, dass es mir schlecht geht oder ich mit meinem baldigen Ableben rechne, aber es fällt schon auf, dass die Geburtsjahrgänge immer näher an das Meinige heranrücken. Und so manch einer aus diesen Jahrgängen wurde vorzeitig und unverhofft abberufen. Deshalb fällt der erste Blick auf den Geburtsjahrgang, dann wird gerechnet, wie viel Zeit man noch haben könnte, wenn alles weiter so gut mitläuft. Als Nächstes ist das Horoskop dran, an das ich natürlich nicht glaube, es sei denn, es steht etwas Positives drin. Für meine eigenen Recherchen überfliege ich meistens noch die Überschriften und schon ist das Blättchen wieder Altpapier …

Stopp! Was ist das für eine Schlagzeile?

„Wer nimmt Oma und Opa am Weihnachtsfest?“

Das ist doch wohl wieder … da geht mir doch gleich die Hutschnur hoch. Ich lese noch einmal, weil ich den Sinn der Frage nicht verstehe.
Was ist das für eine Formulierung und für eine unglaublich anmaßende Frage? Was bedeutet, in diesem Zusammenhang, das Wort „nehmen“? Sind Omas und Opas etwa Gegenstände, die man nach Belieben nehmen kann, aber bitte nur, wenn es unbedingt sein muss? Wird das vielleicht ausgelost? Und der, der die A…karte zieht, muss den Opa nehmen?
Ich darf mich aufregen, ich bin schon Opa von drei Enkelchen! Mich überfällt das blanke Entsetzen! „Den Opa zum Fest nehmen!“ Du lieber Himmel, das fehlt mir noch! Die wenigen freien Tage, die mir in meinem bewegten Leben zur Verfügung stehen, soll jemand kommen und mich nehmen? Wegnehmen? Entnehmen? Vernehmen? Hernehmen? Zunehmen? Benehmen? Annehmen? Zur Brust nehmen? Abnehmen? Mitnehmen und in eine Sofaecke stecken, um mich mit Kuchen und Braten abzufüllen? Mich kann man doch nicht einfach nehmen! Und das muss ich ausgerechnet aus diesem Provinzblatt erfahren? Ohne einen einzigen Hinweis darauf, wer mich wann „nimmt“ und über die Feiertage verwahrt – weil ich wohlmöglich sonst im Weg herumstehen könnte?
„Wer nimmt Oma und Opa am Fest?“ Man nimmt, wenn überhaupt, einen Braten zum Fest oder einen guten Wein zum Essen. Aber einen „Opa am Fest“?

Unglaublich! Ich bin sauer! Ich lasse mich nicht einfach verplanen. Immerhin habe ich mir für die freien Tage zwischen Weihnachten und Neujahr viel vorgenommen. Das Wohnzimmer wird komplett renoviert, der Dachboden entrümpelt, die Diele gestrichen und einige Events mit Freunden und sind auch längst geplant. Da freue ich mich schon tierisch drauf, denn da geht so richtig die Post ab und die Lachtränen werden rollen! Und wenn ich eines absolut nicht will, dann, dass irgendjemand mich „am Fest nimmt“ und meine Pläne durchkreuzt.
Und was machen die Medien? Hetzen die eigenen Kinder auf, dass sie ihre Omas und Opas verwahren sollen, wo sind wir denn hier? Nein, Leute, nicht mit mir!

Kurz entschlossen schnappe ich meine Reisetasche, werfe ein paar leichte Sommerklamotten hinein und ab geht’s in Richtung Dominikanische Republik — Reggae tanzen, bis der Arzt kommt und Seegras rauchen mit Rastalöckchengirls! Da kann die bucklige Verwandtschaft mal sehen, wen sie sich zum Verwahren sucht.

Bild & Text „Oma und Opa“ kommt von Opa Lingen

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