Das unabdingbare Gut der Demokratie: die Senioren
Die Wahl der Seniorenvertretung in Lingen ist zwar abgeschlossen und ausgewertet, allerdings stellt sich die Frage, wie seriös die Wahlperiode eigentlich war. Die gewählte Vertretung wird mit Sicherheit die Interessen verfolgen und sich für sie einsetzen, jedoch hat die letzte Kampagne eine erschreckende und alarmierende Wahrheit an das Licht geführt: die sehr minimale Wahlbeteiligung. Tatsächlich belaufen sich die abgegebenen Stimmen auf keine 500 Wähler und Wählerinnen, obwohl 15.000 Menschen wahlberechtigte Bürger sind. Die Zahlen sind aufwühlend und schon gar erniedrigend. Was steckt hinter diesen Daten? Wie können wir uns dieses passive Verhalten erklären und dagegen angehen?
Es ist traurig zu glauben, dass Senioren sich den Wahlen entziehen, weil ihnen das gesellschaftliche Leben nicht mehr am Herzen liegt. Vielleicht liegt tief verankert der Gedanke, dass eine ältere Generation ohnehin keinen großen Einfluss mehr ausüben kann oder dass ihre Anliegen nicht mehr miteinbezogen werden. Doch genau um dieses Vorurteil zu bekämpfen, ist die Wahl einer Seniorenvertretung so wichtig. Wie sollen die Wünsche, Bedürfnisse und Hoffnungen verwirklicht werden, wenn sie nicht gehört werden? Damit sie gehört werden können, ist es unabdingbar, sie zu formulieren und an die Öffentlichkeit zu tragen. Das System in der deutschen Demokratie ist so aufgebaut, dass jeder wahlberechtigte Bürger einen Einfluss auf die Geschehnisse seiner Umgebung hat. Natürlich kann nicht jeder individuelle Gedanke umgesetzt werden, zum Glück! Indem man jedoch Parteien oder Interessenverbände wählt, die den eigenen Prinzipien am nächsten liegen, kann die Mehrheit der einzelnen Wünsche berücksichtigt werden. Die Kommunikation erfolgt untereinander und durch sogenannte Sprachrohre wird der Austausch über die einzelnen Anliegen abgewogen und an die zuständigen Behörden und Ämter vermittelt. Es folgt darauf eine Umsetzung oder zumindest die Abmachung von Kompromissen und die Einleitung von den notwendigen Maßnahmen.
Wählen ist das fundamentale Gut und das absolute Recht der deutschen Staatsbürger und noch lange keine Selbstverständlichkeit. In noch vielen Staaten, die sogar als modern gelten, herrschen offensichtliche oder durch das System verkleidete Diktaturen. Die Stimmen werden nicht nur nicht gehört, sondern nicht mal zur Aussprache eingeladen. Es dominieren immer noch Kasten-Systeme, die Menschen nach ihren ökonomischen Funktionen abstempeln als „notwendig“, „weniger wichtig“ und „besonders wichtig“. Die Indikatoren dieser Einstufungen sind eindeutig: die Herkunft, die soziale Schicht, der Beruf, die Ideologie, das Vermögen, die Funktionalität und ganz besonders, das Alter. Es ist offensichtlich, in welche Kategorie die älteren Menschen in diesen Gesellschaften einsortiert werden. Sie können nur von Wahlstimmen träumen, geschweige denn von Seniorenvertretungen! Wir müssen uns nur einmal ausmalen, wie groß die Nachfrage in diesen Ländern wäre, wenn man ihnen diese Chancen bieten würde. Wir haben die Möglichkeit, doch wird sie genutzt? Anscheinend nur sehr minimal.
Die fehlenden aktiven Bürger bestätigen leider nur das Desinteresse an der Politik und lassen die Alarmglocken läuten. Eine Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihren Bürgern und Bürgerinnen die Möglichkeit gibt, sich bei der Staatsform zu beteiligen. Durch fehlende Beteiligung gerät sie in Gefahr, weil das Fundament der politischen Ordnung gefährdet ist, nämlich der Wille, kollektive, konstruktive, menschenfreundliche, profitable, zukunftsorientierte Prinzipien und Ideen auszutauschen. Warum nehmen wir diese Chance nicht wahr? Noch schlimmer: Sind wir uns nicht bewusst, dass die Anteilnahme unabdingbar ist, um unsere Rechte weiter zu behalten?
Senioren haben seit Jahren mit den folgenden Vorurteilen zu kämpfen. Es wird kritisiert, dass sie kein Interesse mehr an dem aktuellen Geschehen haben, weil sie sich auf ihren Lebensabend vorbereiten. Außerdem wurde sogar über die Abschaffung von dem Wahlrecht von Älteren diskutiert, weil die Partizipation nicht mehr konstruktiv sei, da angeblich die gleichen, seit Jahren regierenden, Parteien gewählt werden sollen. Noch erschreckender ist die Annahme, dass ihre Attitüden veraltet seien und ausgedient hätten. Die Formulierung dieser Voreingenommenheit ist schon eine Qual, jedoch sollten wir auf sie eingehen.
Es ist ein Tabuthema für viele Angehörige, doch auch gleichzeitig die Wahrheit: Der Lebensabend wartet auf unsere Senioren. Aus genau diesem Grund haben sie ein großes Interesse an der Gestaltung ihrer Umwelt! Besonders in den späteren Jahren ist die Alltagsgestaltung schwieriger, deswegen ist es natürlich ein Anliegen für sie, ihn durch ihre Stimmen mit-strukturieren zu können.
Die Ideen und Meinungsbilder der älteren Generation kann des Weiteren nicht ausgedient haben. Natürlich unterliegen wir einem extremen Zeitwandel, der traditionelle Familienbilder und konventionelle Auffassungen vom Leben aufgebrochen hat. Aus genau diesem Grund ist der generationenübergreifende Austausch so essenziell. Die Geschichte, egal um welches Land und welchen Kontinent es sich handelt, hat uns bewiesen, dass sie sich wiederholt. Die jungen Generationen können sie nur lesen, während die Älteren sie mit all ihren Emotionen erlebt haben. Wir können von ihren Erfahrungen schöpfen, lernen und uns weiterbilden. Echte Erinnerungen sind unbezahlbar und unabdingbar bei dem Aufbau einer zukunftsorientierten Gesellschaft.
Die Stimmen der Senioren werden also nicht nur gehört, sondern auch nachgefragt! Abgesehen von ihrem hohen Wert zwischen den Menschen, geht es schließlich auch, um die Zukunft der Angehörigen. Kein Senior der Welt will seine Augen für immer schließen, ohne zu wissen, dass seine Kinder und Enkelkinder in einer fairen und ausbaufähigen Zeitepoche leben.
Trotz all dieser Tatsachen, aus denen eigentlich profitiert werden kann, ist das passive Verhalten der älteren Wähler sehr auffallend. Es geht schließlich nicht nur um die kommenden Jahre, sondern auch um das aktuelle Geschehen. Viele Nichtwähler begründen ihr Auftreten darin, dass sie nicht gehört werden oder mit der Enttäuschung von vorherigen Wahlen. Wie sollen die Senioren denn nun besser gehört werden, wenn sie gar keine Stimme mehr erheben? Das Ziel eines Interessenverbandes ist es, dass die Mehrheit der Menschen umgesetzt wird, sonst gäbe es keine Demokratie. Wenn sich jedoch nur ein Bruchteil der betroffenen Menschen die Mühe macht, die eigentlich ihre Pflicht als Bürger ist, aktiv zu sein, kann die Mehrheit nie gehört werden. Genauso wenig ist die Bildung einer seriösen Vertretung möglich.
Wenn nun die Senioren sich wie in diesem Fall, also bei den Wahlen der Seniorenvertretungen, so drastisch zurückziehen, werden sie diese Vorurteile nur bestätigen, obwohl sie doch so einfach zu entkräften sind. Es wurden Menschenleben geopfert, Familien zerrissen und verbale, als auch nonverbale Revolutionen erlebt, um die heutige Demokratie zu erhalten. Sie kann und wird den folgenden Generationen nur dann noch dienen können, wenn wir sie geschont und mit großer Wertschätzung weiter vererben werden. Das Ende einer Demokratie kommt in der modernen Zeit nicht nur unbedingt durch einen Putsch oder einen Streik, sondern schleicht sich langsam ein. Der Beginn dieses Endes beginnt an der Wahlurne.
Außerdem kann ebenfalls nicht bestritten werden, wie bedeutsam die Seniorenvertretung ist. Sie setzt sich schließlich das Ziel, die Lebensqualität der Generation Ü60 zu verbessern. Sie bildet eine Anlaufstelle für ältere Altersgruppen, in der über Themen wie Pflege, medizinische Versorgung, Gestaltung von Freizeit, Barrierefreiheit in Eigenheimen und öffentlichen Orten wie Kinos, Parkanlagen, Bussen, Bahnen, Kultureinrichtungen beraten wird. Neben altersgerechten Umbauten sind auch Themen wie Zusatzversicherungen, Budgetierung oder Seniorenrabatte rege Themen, über die man sich informieren kann. Je nach Bedarf können verschiedene Veranstaltungen organisiert werden, über zum Beispiel Sicherheitsmaßnahmen beim Auto- und Fahrradfahren im Alter, Krankheiten wie Demenz oder Parkinson, Seniorenclubs oder Pflegeverbände. Es handelt sich also um Themen, die jeden betreffen können und werden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die niedrige Teilnahme nicht nur traurig, sondern auch sehr entmutigend ist. Sei es die hohe Bedeutung der Erfahrungen oder die Notwendigkeit von generationenübergreifenden Mitstimmen, die Beteiligung der Senioren in jeglichen Wahlen ist ein unbezahlbares Gut der Demokratie. Die Älteren haben ihre Jugend schon passiert, während die jungen Generationen noch in den Blüten ihres Lebens stehen. Die Senioren sollten von ihren Erfahrungen profitieren und profitieren lassen, indem sie sich aktiv für ihr Leben einsetzen und mitwirken. Sie werden somit sich selbst dienen, ihre letzten Arbeitsjahre und ihre Rente verschönern und ein bedeutendes Erbe für die nachkommenden Altersgruppen hinterlassen.
Text + Bild „Warum war die Wahlbeteiligung so gering“ kommt von Opa Lingen
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