Die Taufe: Chance oder Fake?
Vor kurzem war ich zu einer Taufe in einen katholischen Gottesdienst eingeladen. Während der anschließenden Kaffeetafel kam das Gespräch auf den Sinn der Taufe. Dabei zeigte sich, dass das Ritual der Taufe eines Neugeborenen durchaus keine Handlung ist, die allerorts unkritisch praktiziert wird. Während es sich früher ‚eben so gehörte’, dass ein Kind getauft wurde, machen sich immer mehr Eltern intensive Gedanken darüber, in wieweit die Taufe eine Bedeutung für das Kind und seine Erziehung hat.
Die Taufe ist ein Sakrament der katholischen Kirche, die damit begründet wird, dass der neue Erdenbürger in die Kirchengemeinde eingegliedert wird. Soweit so gut. Weiter heißt es, dass das Kind erst durch die Taufe ganz mit Gott verbunden wird. Vor allem wird es von seiner Schuld befreit und kann ganz neu anfangen.
Während der Diskussion tauchten diverse Fragen auf. Zum Beispiel ist es nicht unbedingt nachvollziehbar, dass ein Kind, das durch Gottes Willen entstanden ist, erst nach seiner Geburt, durch menschliches Wirken, mit seinem Schöpfer ganz verbunden wird. Ist es nicht vielmehr so, dass eben nur dadurch ein neues Leben entstehen kann, weil Gott es in tiefster Verbundenheit, es durch die Geburt erst für unsere Sinne sichtbar und spürbar gemacht hat? Ist nicht das Einssein mit Gott vor der Zeugung und nach dem Tod ein Zeichen dafür, dass diese Verbindung nie unterbrochen wird?
Wie kann es sein, das ein neugeborenes Leben durch Menschenhand (die ja dann ebenso mit Schuld belastet ist) von Schuld befreit wird. Obwohl doch in der Lehre Jesus Christus immer wieder beteuert wird, dass er durch seinen Tod alle menschlichen Sünden auf sich genommen hat? Und zwar die Vergangenen ebenso wie die Zukünftigen. Im Grunde bedeutet das doch, dass Gott sich unserer Schwächen sehr wohl bewusst ist und uns deshalb grundsätzlich von Schuld befreit. Demnach weiß er genau, dass wir Menschen seinen Ansprüchen nicht genügen können, dass unsere Abgründe uns zu Gräueltaten verführen können, dass wir nicht so perfekt handeln können, wie es wünschenswert wäre, um eine weltweit lebensbejahende Gemeinschaft sein zu können?
Dazu passt ein anderes Sakrament, nämlich die Buße. Im alltäglichen Sprachgebrauch hat die Buße eine negative Bedeutung: „Das soll er büßen!“ heißt es manchmal. Gemeint ist meistens, dass ein Racheakt folgen soll. Die Kirche erklärt das Wort Buße so: Hat jemand persönliche Schuld auf sich geladen, dann soll er diese Schuld anerkenne und beichten. Hat er sie vor dem Priester kundgetan, bekommt er das menschliche Versprechen, dass seine Schuld oder Sünde ihm von Gott vergeben ist.
Diese Sünden waren aber schon vorher durch Jesus Tod vergeben. Wenn man es ganz genau nimmt, dürften wir eigentlich niemanden für seine Untaten bestrafen, weil Gott den Menschen all seine Taten längst vergeben hat. Wer streng nach der Lehre lebt, kann sich demnach alles erlauben – entweder ist ihm schon vergeben, oder geht beichten – tut also Buße –und ist wieder von seiner Schuld befreit. Wo bleibt denn da unsere eigene Verantwortlichkeit?
Während der Diskussion trat an diesem Punkt Ratlosigkeit ein. Denn wenn Gott der Allmächtige ist, dessen Wort und Gebot über allem steht, dann haben weder die Taufe noch die Vergebung durch Menschenhand irgendeinen Wert. Menschen hätten nicht einmal das Recht in seinem Namen zu sprechen oder zu handeln.
Ist es nicht vielmehr so, dass jede Form der Entstehung von Leben ein bisher für Menschen unerklärlicher Vorgang ist? Muss nicht dies der Beweis dafür sein, dass Gott wirkt und Leben erschafft, weil dieses Leben ganz und gar mit ihm verbunden ist? Dieses grandiose Wunder – der Entstehung von Lebendigem – wird dadurch erniedrigt, in dem ihm unterstellt wird, dass es nach der Geburt erst durch Menschenhand von Schuld freigesprochen werden muss, um von Gottes Liebe angenommen zu werden. Müßten wir nicht, um wieder mehr Eigenverantwortung zu erreichen, die Taufe in dem Bewusstsein feiern, dass hier ein schuldfreier Mensch geboren wurde, und wir dafür verantwortlich sind, dass dies nach Möglichkeit so bleibt?
Text „Taufe“ kommt von Opa Lingen
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